Ganz schön lübsch! .

„‘Die Stadt ist affengeil‘, sagen meine Söhne immer“, meint Stadtführer Walter Scharmer. Vor der Tourist-Information am Holstentorplatz hat sich an einem kalten sonnigen Samstag im Februar eine Gruppe von Menschen unterschiedlichen Alters eingefunden, um an einer Stadtführung zum Thema „Domviertel“ teilzunehmen. Auch die Redaktion des INFOguides ist dabei, um Ihnen Informationen aus erster Hand zu liefern.

Fotos: Regine tams

Fotos: Regine tams

Am Holstentor führt kein Weg vorbei. Wir machen Halt und Walter Scharmer erklärt uns, dass er es etwas übertrieben findet, Lübeck als die „Königin der Hanse“ zu bezeichnen. Sie sei der Vorläufer von dem, was Brüssel heute für die Europäische Union darstelle. Dann klärt er uns über ein interessantes Detail auf, das vielen vermutlich noch nicht bewusst war. „Backstein gibt es nicht“, sind seine einleitenden Worte. Zunächst errichtete man die Häuser der Siedlung aus Holz, jedoch eine Feuersbrunst zerstörte sie 1157. Fieberhaft war man dann auf der Suche nach einem anderen Material, denn „geologisch gibt es keinen Stein im Norden, nur Unmengen an Ton“, erklärt Scharmer und fügt noch hinzu: „Die Backsteingotik muss Backziegelgotik heißen. Sie sehen, man lernt nie aus.“ Später fügte man dem Ton Salz und ein Mineral hinzu, erhöhte die Temperatur in den Heizöfen, so dass sich das Salz verflüssigte und schöne Glasuren entstanden.

Wir machen einen kleinen Schlenker zurück und betrachten staunend von der Holstentorstraße an den Salzspeichern die Schieflage des einen Holstentorturms. Weiter geht’s links in die Wallstraße bis zu Holstentorhalle, in der heute Studenten der Musikhochschule in schalldichten Übungsräumen ihrem Metier nachgehen. Dass in der backsteinexpressionistischen, oder besser gesagt backziegelexpressionistischen, Halle aus den 20er Jahren 1933 ein „Schrei gegen die Braunjacken zu vernehmen war, wird heute kaum noch erwähnt“, so Scharmer. Herbert Frahm, später Willy Brandt, hielt vor seiner Emigration dort seine erste Rede. „Jemand sagte zu ihm: ‚Verpiss dich, sonst lebst du nicht mehr lang‘ und zum Glück hat er darauf gehört und ist, wie bekannt, nach Oslo emigriert“, sagt unser Stadtführer.

Auf der kleinen Fußgängerbrücke machen wir Halt, blicken im Westen auf St. Petri und St. Marien und im Osten auf den Dom. 1250 war die Marienkirche als romanische Basilika mit einem Turm fertiggestellt. Nachdem der Bischofssitz nach Lübeck verlegt wurde, wies man dem Bischof für den Bau des Doms einen Platz im Süden der Stadt zu. „Der Dom sollte sich nicht im Machtzentrum des Kaufmannsviertels befinden“, so Scharmer. Es muss die Kaufleute sehr geärgert haben, dass der Dom mit seinen beiden Türmen eine Höhe von 121 Metern erreichte. Daher entschieden sie, ihre Ratskirche modern umzugestalten. Aus St. Marien wurde eine gotische Kathedrale mit zwei Türmen in einer Höhe von 125 Metern. Fortan überragte sie den Dom um vier entscheidende Meter.

Im Domviertel geht’s durch schmale Gänge, die teils gerade Platz für einen Rollator bieten. In den Gangvierteln wird die Stille nur durch das Gurren einer Taube unterbrochen. Vor den Hauseingängen stehen Tische mit Schneehauben, Töpfe mit Lavendel und gläserne Kerzenhalter. „Ausgesprochen liebenswert ist es, dass die Menschen im Sommer zusammenkommen; sie wagen es sogar, sich miteinander zu unterhalten“, sagt Scharmer und ist ganz begeistert. Die reinste Idylle erwartet uns auch auf der Dankwartsbrücke mit Blick auf den Malerwinkel. Die kahlen Bäume spiegeln sich auf der Obertrave, während ein paar Möwen Wellen hinter sich herziehen. Im Anschluss gehen wir durch die Hartengrube zum imposanten Dom. Unser Fazit: Unbedingt mal mitmachen!

Stadtführungen in Ostholstein
In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf weitere Stadtführungen zum Beispiel in Eutin und Neustadt in Holstein aufmerksam machen. Sehr beliebt sind die Stadtführungen 1420 mit dem Bürgermeister und die Sagenführungen. Auch kunsthistorische Stadtführungen und Neustadt für kleine Leuten stehen auf dem Programm. Infos gibt’s beim zeiTTor-Museum.
Ebenso in Eutin stehen unterschiedliche Führungen von Mitte Mai bis Mitte Oktober auf dem Programm, zum Beispiel der Anekdoten-, Altstadt- und Nachtwächter-Rundgang. Daneben laden das Schloss mit dem wunderschönen Schlossgarten und die Kirchen zu besonderen Führungen ein.

www.luebeck-tourismus.de
www.zeittor-neustadt.de
www.holsteinischeschweiz.de